zärtlich leben

Ich finde zurzeit keinen passenderen Begriff als „Zärtlichkeit“, um die Qualität dessen auszudrücken, was ich zu tiefst heilsam erfahre für mich selbst und meine Mitwelt.

Zärtlichkeit scheint mir neben dem offenen klaren Geist ein wesentlicher Ausdruck der allumfassenden Liebe zu sein. Und wenn ich mich umschaue, dann entdecke ich wirklich in jedem Menschen die Qualität der Zärtlichkeit. Sie ist ein Geburtsrecht. Manchmal verschüttet und abgezogen von zwischenmenschlichen Beziehungen, aber sie zeigt sich bei jedem Menschen – manchmal nur noch ausgerichtet auf Dinge – aber sie ist da.

Zärtlichkeit empfinde und erkenne ich als etwas Herausströmendes, Raumgebendes – auch Handelndes, wenn wir angerührt werden durch etwas, das unsere Zuneigung oder Fürsorge weckt. Es scheint eine leib-seelische Antwort darauf zu sein.

Zärtlichkeit hat heute in unserer Effizienz-orientierten Gesellschaft einen schlechten Stand. Zärtlichkeit entsteht, wenn Zwischenräume sich auftun können – nahtlose Übergänge ersticken sie. Perfektion macht sie unmöglich. Einseitigkeit vertreibt sie. Absicht verfehlt sie. Sie braucht Atem um zu leben …

Zärtlichkeit öffnet uns das Herz für das Gegenüber – macht uns empfindsam, lässt uns liebevoll in Verbindung treten. Das macht uns selbst weit und frei und wir ruhen in feiner Lebendigkeit. Dabei verlieren wir nicht den Kontakt zu unseren aktuellen Gefühlen, die uns Richtung geben für das Handeln. Die Begegnungen werden nährend, kooperativ und basieren auf Gleichwertigkeit, ob wir nun mit einem Menschen, einem Tier, mit Pflanzen oder anderem in Verbindung stehen.

Wagen wir, zärtlich zu leben. Wagen wir, unsere persönliche Form der Zärtlichkeit zu entdecken, sie zu entfalten, sie zu zeigen und sie in die Welt zu verschenken. Sonst wird unsere Luft knapp. Wagen wir es, belächelt und missverstanden zu werden. Wagen wir es, uns verunsichern zu lassen. Wir sind stark genug – Zärtlichkeit ist eine essentielle Kraft.

Unsere Absicht, zärtlich zu leben, ist ein JA zum Leben – ein JA zu uns selbst. Lassen wir uns ein, in den Raum der Zärtlichkeit. Hier sind wir ganz anwesend im Hier und Jetzt und in Verbindung mit allem. Das ist heilsam und befreiend zugleich und hat positive Auswirkungen auf unser Denken und Handeln auf dieser Erde.

(M.V. Mitte September 2016)